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Robert Rechenauer Architekten

Hans-Sachs-Straße 6  80469 München  Telefon 089 236856‑0
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St. Hedwigs-Kathedrale Berlin
Wettbewerb 2014, Phase 2

Drei gestufte Kreise gliedern den Grund­riss der großen Rotunde in eine Besucher-, Feier- und Zelebrations­ebene. Die Verschiebung der Kreise  zum Altar betont die Bedeutung des Weges. In der Ober­kirche findet dieser seinen fest­lichen Abschluss in einem neuen Por­tal, das in die neu gestaltete Sakraments­kapelle führt.

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Die Oberkirche - ein heller lichter Raum, der eine heitere Festlichkeit ausstrahlt.

Die Überbrückung der bestehenden Confessio er­laubt, dass sich die Zele­bran­ten mit ihrer Gemeinde um den Altar ver­sammeln können. Der be­ste­hen­de Tisch­­altar bleibt an der seit Schwippert an­ge­stamm­ten Stelle, le­dig­lich die Decke wird soweit an den Sti­pes herangeführt, dass im Boden unter der Mensa eine Fe­nes­tella verbleibt. Als Re­mi­nis­zenz an die ehe­malige Con­fessio ver­mittelt die Öff­nung dezent zwischen Ober- und Un­­ter­­kirche. Dieses räumliche Zu­­sam­­men­­­spiel wird un­ter­stützt durch Öf­fnun­gen, die im Boden zwischen den be­ste­hen­den Säu­len­­paaren angeordnet werden. Sie stellen in der Ober­kirche Oratorien dar, die sich kranz­förmig um die Feierebene le­gen. In der Un­ter­kirche definieren sie „Orte des Lichts“, die selbst wiederum mit der Ober­kirche räum­­lich zu­sammen­­spielen.

Der Altarraum setzt sich als „Zele­bra­tions­­ebene“ mit­tels einer Stufe von der „Fei­er­ebene“ der Ge­mein­de ab. Beim Gottes­dienst sorgt die Stufe für eine gute Sichtbar- und Ver­ständ­lich­keit, der Gemeinde dient sie als Kommunions­bank. Die li­tur­gi­schen Orte ordnen sich um den an­ge­stamm­ten Altar. Der neue Ambo ist in dessen un­­mit­­tel­­ba­­ren Nähe­ auf­ge­stellt, so­dass Eucha­ri­stie­­feier und Wort­got­tes­dienst ge­mein­sam zur Dar­­stel­lung kommen. Kathedra und Pries­ter­sitz als die bei­den Orte des Vorsitzenden ste­hen als Pendant ne­ben­ei­nan­der, eine Stu­fe betont die Bedeutung der Kathedra. Seg­ment­­för­mig aus­ge­bil­de­te Bänke fassen die Sedilien der Assis­ten­ten, Kon­ze­le­bran­ten und Ministranten zusammen und geben so dem Altraum einen festlichen Abschluss.

Die Circumstanz der „Feierebene“ eint die Besucher zu einer Gemeinde und be­tont das ge­mein­same Feiern. Der Kirchenchor steht am Altarbereich auf ver­fahr­ba­ren Po­des­ten. Un­ter­stützt von einer Chor­orgel ermöglicht die mit der Mö­blie­rung ab­ge­stimm­te Anordnung un­ter­schied­liche Szenerien für Chor mit und ohne Orchester. Sänger und Musiker ar­ron­die­ren den of­fe­nen Kreis der Cir­­cum­­stanz und neh­men so selbst am Gottes­dienst un­mit­tel­bar teil. Wenn nicht die große Orgel am Narthex die Kirchen­musik bestimmt, un­ter­stützt eine seitlich an­ge­or­dne­te Chor­orgel den Gesang.

Die Gestaltung des neuen Innenraums entwickelt sich kon­zep­tio­nell aus den ge­stal­te­ri­schen Prinzipien der ba­rocken Licht­archi­tek­tur: Helle, weiss geputzte Elemente und Flächen strah­len eine heitere Fes­lich­keit aus und laden so jeden Be­su­cher zum Ver­weilen ein. Das florale Prin­zip der ko­rin­thi­schen Ord­nung knüpft dabei an der bau­lichen Tradition der St. Hed­wigs-Kathe­dra­le an und soll im Zuge der Neu­ge­stal­tung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt im Gei­ste der Zeit künstlerisch weiter ent­wickelt werden. Die im Plan visualisierten Formen – wie Ka­pitel­le, En­tasis und Basis – stehen nicht für das historische Ab­bild, sondern für ein geistiges Prinzip, das der künst­lerischen In­ter­pre­ta­tion und ge­stal­te­ri­schen Wei­ter­ent­wick­lung be­darf. Nicht die Re­kon­struk­tion, sondern die Wei­ter­ent­wick­lung der verloren ge­gan­ge­nen Aus­stat­tung soll die künstlerische Aus­for­mu­lie­­rung der ein­zel­nen Bau­teile bestimmen. Die florale Symbolik der an­ge­stamm­­ten ko­rin­th­ischen Ordnung: das Motiv der ran­ken­den Blätter, die ge­spannte Kraft der gewölbten Säu­len und ihrem fes­ten Fußpunkt auf der Ebene der Gemeinde, bringt den Wunsch nach einer wach­sen­den und blü­hen­den Gemeinde zum Ausdruck. Über die formalen An­sprüche der Ge­stal­tung hinaus soll die dif­feren­zier­te Ausbildung der ein­­zel­­nen Elemente im Raum eine „Musikalität“ ent­wickeln, die dem ab­strak­ten Denken des Vor­gän­ger­baus bewusst ent­gegen steht.

Die Sakramentskapelle – ein mystisch strahlender Raum, der für die Hin­wen­dung zu Gott steht.


Die Niederlegung der Wand zur be­ste­hen­den Sak­ris­tei bie­tet die Mög­lich­keit, die kleine Ro­tun­de als Sak­ra­ments-Kapelle zum festlich aus­ge­schmück­ten Chor um­zu­ba­uen. Der Chor wie­de­rum wird für die betende und feiernde Ge­mein­de zum of­fe­nen Fen­ster, durch das die Welt Gottes hereintritt. Die bau­li­chen und ge­stal­terischen Ver­ände­run­gen stehen für die neue li­tur­gi­sche Praxis und die Er­he­bung des ehemaligen Bistums zum Erzbistum.

Die Sakramentskapelle ist barrierefrei mit dem Kirchen­­raum der Großen Ro­tun­de ver­bunden und lädt jeden Be­sucher zum Ein­tritt ein. In der Mitte des Raumes be­fin­det sich am Boden eine Fenestella, die den Blick zur Grablege von Bern­­hard Lich­ten­berg ermöglicht. Grablege und Sak­ra­ments­kapelle kom­mun­izie­ren so räum­lich mit­ein­an­der. Um die Fenes­tella sind die li­tur­gi­schen Orte und die Se­di­lien ge­ordnet. Im Osten steht pri­vi­le­giert der Ta­ber­na­kel, dessen Ewi­ges Licht in der Nacht auch nach aussen strahlt.


In einer zeitgemäßen Gestaltung sollen Wände und Kuppel durchgängig mit mo­der­nen Mo­sai­ken auf Goldgrund be­legt werden und so der Raum mit Un­ter­stüt­zung von ab­ge­stimm­ten Leucht­mitteln in ein Strahlen versetzen, das zur Ein­kehr, Besin­nung und Hin­wendung zu Gott einlädt. In den Reflexionen und dem Wiederstrahl der Kunst soll wie­de­rum eine Kost­bar­keit und Wert­schät­zung zum Aus­druck kommen, die für den Aus­tausch mit Gott steht.

Die Unterkirche mit der Grablege Bern­hard Lich­ten­bergs – eine steinerne Krypta, die die Erd­ver­bun­den­heit der Kathe­dra­le zum Aus­­druck bringt.


Der Kirchenraum der großen Rotunde ist über eine leicht ge­schwun­ge­ne Treppe mit der Un­ter­kirche verbunden. Über sie zieht der Kardinal mit seinem Gefolge in die Ober­kirche ein. Die ring­förmig an­ge­leg­te Tragstruktur schafft neue Raum­zo­nen. In Raum­­­mitte entsteht ein Zen­tral­raum, in den das Licht der Ober­kirche über die neue Öffnung herein­­winkt. Der Stipes des Schwippert-Altares arrondiert im räumlichen Zu­sam­men­spiel mit den liturgischen Orten und der Circumstanz der Kir­chen­bänke den Raum zur Werk­­tags­kirche. Auf der ge­gen­über­lie­gen­den Seite de­fin­iert das Licht aus der um­lau­fen­den Fenestella am Stipes den Ort für das Tauf­sakra­ment. Durch den Wandel­gang zur Grablege von Bernhard Lich­ten­berg strahlt wiederum das Licht aus der klei­nen Rotunde.

In der neuen, ringförmig angeordneten, Tragstruktur sind die Orte des Beicht­sa­kra­ments, wei­te­re Grab­legen für die Zukunft und eine kleine zusätzliche Sak­ris­tei für den Ta­ges­ge­brauch situiert. Diese ist auch über die Wen­del­trep­pe hinter dem Altar auf kur­zem weg zu erreichen. Zwi­schen der historischen Trag­struktur des Kuppelbaus und der neuen Tragstruktur des un­te­ren Kir­chen­­­rau­mes legt sich ringförmig der Kreuzweg mit seinen Stationen. Von ihm aus werden die Kapellen, die sich an ihren an­ge­stamm­ten Orten unter den neuen Oratorien der Ober­kirche befinden, erschlossen. Durch die Öffnungen in den Orato­rien fällt Licht in den Kapel­len­kranz. Es entstehen „Orte des Lichts“, die zu den him­mli­schen Sphären ver­mit­teln. Der gedeckte Ton von Stein­flä­chen an Boden und Wänden sowie die „höhlenartige“ Zonierung der Räume stehen im span­nungs­vol­len Kon­trast zum Licht der Fenestella und bringen so die Erd­ver­bun­den­heit der Kathedrale zum Ausdruck.


Von der Unterkirche gelangt man über eine Frei­trep­pe zu den unterirdischen Bereichen des Bern­­hard-Lich­tenberg-Hauses. Von dort führt ein „Pro­zes­sions­­weg“ zur Sakristei. Daran an­ge­lagert sind die Einspielräumen für Chor und Orches­ter sowie die Aus­­stel­lung des Erzbistums. Aufzüge, die im Narthex und der Ge­bäu­de­hülle integriert sind, sor­­gen für eine barrierefreie Er­schlie­ßung zwischen allen Geschossen.

Bernhard-Lichtenberg-Haus

Das neue Bern­hard-Lichtenberg-Haus fügt sich in das ortho­go­na­le Schema der Fried­rich­stadt ein und betont so die städte­bau­liche Sonderstellung der St. Hed­wigs-Kathe­drale. Der Freiraum „Hinter der Katholischen Kirche“ wird als Kirch­platz aus­ge­stal­tet, der mit einer Cafebar zum Verweilen einlädt. Die offene Bau­struktur verbindet den Platz über ein Foyer mit der Fran­­si­schen Straße. Unterirdisch ist das Haus mit der Kathe­dra­le verbunden, Kathedrale und Bern­­hard-Lich­ten­berg-Haus bilden ein En­sem­ble. Die viel­sei­ti­gen welt­lichen und geistlichen Auf­gaben, die dem neuen Erz­bis­tum erwachsen, können so gut or­ga­ni­siert und funktional zu­sam­men­ge­führt wer­den. In An­leh­nung an die Fassa­den des umliegenden Städte­baus sind Erd­ge­schoss und ers­tes Ober­ge­schoss ge­stal­te­risch zu einer Sockelzone zu­sam­men­gefasst.


Der Ausstellungsbereich ist über zwei Geschosse or­ga­ni­siert. Im Erdgeschoss können mit direktem An­schluss zum öf­fen­tl­chen Raum Wech­sel­aus­stel­lun­gen attraktiv und pu­bli­kums­wirk­sam prä­sen­tiert werden. Im Unter­ge­schoss sorgt eine ra­ste­rför­mige Trag­struktur für eine flexible Grundstruktur, in der die Kir­chen­schätze sicher und dau­er­haft u­nter­ge­bracht sind. Oberlichter in Feld­mitte sorgen für eine stim­mungs­volle und gleichmäßige Grund­be­leuch­tung. Neben der Dauerausstellung beherbergt das Unter­ge­schoss Räume für Chor und Orchester. Zwei Trep­pen­häuser, die intern – auch für die Nutzung der Kathe­dra­le – eine dif­ferenzierte We­ge­füh­rung er­mög­­li­ch­en, er­schlie­ßen zudem die „große Sakristei“. Die Funktionen der „große Sak­ri­stei“ werden um eine „kleine Sak­ri­stei“ in der Unterkirche ergänzt.


Die Räume für Chor und Orchester sind vom Aus­stel­lungs­be­reich durch eine Er­schlie­ßungs­zone getrennt, die als in­ter­ner „Pro­zes­sions­­weg“ gestaltet ist. Dieser Pro­zes­sions­­weg er­mög­licht den Ze­le­bran­ten den festlichen Ein­zug in die Kathedrale. Der Weg führt von der Sak­ri­stei – an den ge­dämpft, doch stim­mungs­­voll hinter­leuchteten Bö­gen der Aus­stel­lung vorbei – zur Frei­treppe, in den Kreuz­weg der stei­­ner­­nen Un­ter­kirche. Von dort geht es hinauf in die helle lichte Oberkirche, in die das Ge­fol­ge achsial von hin­ten zum Altarraum einzieht.

Bauherr
Erzbistum Berlin
www.erzbistumberlin.de 

Verfasser
Robert Rechenauer Architekt BDA

Caroline Hörger
Agnes Hofer-Guoth
Sascha Löffler
Silke Feurle
Tatjana Ganz

Theapro Akustik