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Robert Rechenauer Architekten

Hans-Sachs-Straße 6  80469 München  Telefon 089 236856‑0
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Eine beidseits bespielte städtische Bühne
Das beredte Motiv der Loggia

Ist die Loggia schon Außenraum oder noch Innen­raum?
Das Motiv ist keinem der beiden Räume eindeutig zuordenbar. Ge­ra­de im Wech­sel­spiel von in­nen und au­ßen lie­gen die ge­stal­te­ri­schen Qua­li­­ten die­ses arche­ty­pi­schen Archi­tek­tur­ele­ments. Innen- und Au­ßen­raum be­ge­gnen hier einander.

Loggia des Solitär Universität Mozarteum<br />
Schloss Mirabell Salzburg
Loggia des Solitär Universität Mozarteum
Schloss Mirabell Salzburg

Dieses Spiel zwischen Innen und Außen kannte schon das Al­ter­tum. Kein Wun­­der, dass sich die Re­nais­sance an die­ses an­ti­ke Mo­tiv er­in­ner­te. Die Log­gia war im Mit­tel­al­ter zwar nie ganz in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten, doch erst im Pal­ast- und Vil­len­bau der Re­nais­sance soll­te das Schema sei­ne große Wie­der­ge­burt erleben.

Zweifelsohne geht das Motiv auf die hoch ge­le­ge­ne Tempelfront zurück, die schon in der Antike in den Profanbau übernommen wurde. Die vielerorts damals noch er­hal­ten­en Ruinen und die Be­schrei­bun­gen in den Texten des Vitruv lieferten den Archi­tek­ten der Neuzeit die Beispiele für ein neues ge­stal­te­risches Be­­ti­gungs­feld. Die tat­säch­li­chen Inspirationen stammten je­doch vor allem aus der Literatur hervor. Plinius der Jüngere (ca. 62-113) hatte in seinen epistulae  ein­ein­halb­tau­send Jahre zuvor diese bedeutende Archi­tek­tur­gat­tung an­hand von römischen Villen und Gar­ten­an­la­gen ma­le­risch beschrieben.

Zu den Eigenschaften des porticus gehörte die öf­fent­liche Zurschaustellung eben­so wie das Ver­bergen des Inneren. Der außerhalb Stehende konn­te so dauerhaft in er­war­tungs­vol­ler Span­nung ver­setzt wer­den. Die bau­künst­le­rische No­bi­li­tie­rung durch einen aus­ge­wähl­ten For­men­ka­non und das be­wußt einfache Un­der­sta­te­ment prä­gen seit­dem den Ge­stal­tung. Die er­höh­te Lage, die be­wuss­te Ausrichtung und die gezielte formale Aus­sage ge­­ren zu den vor­nehm­sten Ei­gen­schaf­ten dieses edelsten aller Archi­tek­tur­motive.

In der Renaissance wurde das Schema nach über tausend Jahren erstmals wieder mit der Land­schaft und dem Garten in Verbindung gebracht. Die Log­gia wurde be­wusst in den Kon­­text von Archi­tek­tur und Natur gestellt. Das Ver­ständnis von Na­tur erstreckte sich da­bei vom artifiziell an­ge­leg­ten Garten bis hin zur tatsächlich wilden Na­tur­land­schaft. Die be­rühm­te Aus­sichts­log­gia des Fürsten Federico di Mont­feltro in Urbino und vor allem die mehr­stö­cki­ge Log­gien­an­lage des Pa­laz­zo Pic­co­lo­mi­ni in Pien­za ge­ben ein be­red­tes Bei­spiel davon.

Loggia Palazzo Piccolomini
Loggia Palazzo Piccolomini

Der Literat und Humanist Enea Piccolomini (1405-1464) schuf als Papst Pius II. mit der An­lage sei­nes Palastes in der neu konzipierten Stadt Pien­za eine ein­zig­ar­ti­ge Symbiose von Garten, Land­schaft und Architektur. Sein Architekt Ber­nar­do Ros­se­li­no (1409-1464) hatte den Palast an die Hang­kante des Val d' Orca gestellt und da­mit das Gebäude nicht nur wei­hin sichtbar ge­macht, son­dern ihm auch ei­nen beispiellosen Fern­blick ver­schafft. Dem Palast vor­ge­la­gert ist eine auf Sub­struk­tio­nen er­rich­te­te Ter­ras­se mit einem künstlich an­ge­leg­te Garten. Die Fassade ist mit Loggien ge­stal­tet, die sich über drei Geschosse zur Land­schaft der Crete hin öffnen und dieser wie einem Ge­mäl­de einen Rahmen geben. Der Fern­blick fin­det seinen Endpunkt am Monte Amiata.

Kein architektonisches Element huldigt dem Gar­ten und der Landschaft so sehr wie die Log­gia. Sie ist der erweiterte Innenraum, der nach außen wirkt. Ein In­nen­raum, der schon ganz Außenraum ist. Die Loggia ist das Pro­sze­ni­um für Gar­ten und Land­schaft. Ihr zu Liebe wurden Gärten und ganze Land­schaften kom­poniert.

Villa Kast, Loggia Solitär mit dem Studiotrakt der Universität Mozarteum
Villa Kast, Loggia Solitär mit dem Studiotrakt der Universität Mozarteum

Beim Wettbewerb für das Mozarteum war schnell klar, dass für den Solitär an die­ser pro­mi­nen­ten Stel­le nur das Motiv der Loggia zum Einsatz kom­men konnte. Die direkte Nach­bar­schaft zum Schloss Mira­­bell und seinem Garten hatte uns dies re­­gel­r­echt ab­ver­langt. Wir verstanden den Einsatz und die Ada­p­tion des Schemas als die an­ge­mes­se­ne Antwort auf die gestalterische Frage, wie sich das neue Mo­zar­te­um am barocken Mirabellgarten prä­sen­tie­ren sollte.

Modell Kammermusiksaal
Modell Kammermusiksaal

Dass der Loggia im Inneren ein Konzertsaal folgte, war während der Planung erst auf Be­geisterung, dann auf funktionelle Bedenken gestoßen. Die Fra­ge, ob Mu­si­ker tat­säch­lich vor einem Fenster mit Außenbezug spielen können, wich der Sorge um eine ausgewogene Raumakustik. Dieses dring­li­che An­lie­gen bestimmte die Dis­kus­sio­nen über die ge­sam­te Bau­­zeit bis zur er­folg­reich durch­ge­führ­ten Akus­tik­pro­be im fer­tig aus­ge­bau­ten Saal. Die Praxis zei­gte am Ende, dass an die­sem Ort nicht nur wunderbar Kammermusik ge­spielt werden kann, sondern dass die Log­gia dem Saal darüber hinaus einen einzigartigen Cha­rak­ter verleiht. 

Fotoskizze für Andrew Phelps
Fotoskizze für Andrew Phelps

Der ausstrahlenden Wirkung, die dem Städtebau der Loggia eigen ist, steht innen eine fo­ku­sie­ren­de Kraft ent­ge­gen. Der Raum hinter der Loggia wird zu einem Guck­kas­ten. Wie in einer camera obscura wird der Mirabellgarten mit dem Mönchsberg ins Bild gesetzt. Einer Linse ähnlich, vermittelt die Log­gia zwischen zwei Seiten. Die Loggia wird zur beid­seits bespielten Bühne.

Kammermusiksaal Solitär
Kammermusiksaal Solitär

In direktem Sichtbezug liegt die Internationale Stif­tung Mozarteum, jene In­sti­tu­tion, aus der die Mu­sik­schule und heutige Universität Mozarteum her­vor­ge­gan­gen ist. Vom Mirabellgarten aus ver­mit­telt der Zwischenraum der Loggia direkt in den Kon­zert­saal. Die Signalwirkung reicht bis zum Mönchs­berg. Mit dem Solitär und seiner Loggia prä­sen­tiert sich das barocke Salzburg als moderne Kultur- und Universitätsstadt.

10 ⁄ 2012
Robert Rechenauer


Bildnachweis
Andrew Phelps
Gerhard Weiss
Sophie Seitz
Robert Rechenauer

Literaturhinweise
Burckardt Jacob, Die Baukunst der Renaissance in Italien, nach der Erstausgabe der „Geschichte der Renaissance in Italien“, hg. v. Maurizio Ghelardi, C. H. Beck München 2000 ∕ Schwabe & Co AG Basel 2000
C. Plinius Caecilius Secundus, Epistulae  ∕ Sämtliche Briefe, übersetzt u. hg. v. Heribert Philips u. Marion Giebel, Philip Reclam jun. Stuttgart 2012
Tönnesmann Andreas, Pienza - Städtebau und Humanismus, Hirmer Verlag München 1996