Der Solitär des Mozarteums
Das architektonische Konzept als Namensgeber
Grundlegend umgestaltet wurde das Gesamtareal der Universität Mozarteum am Mirabellplatz in Salzburg. Ganze Gebäudeteile wurden entkernt, und unter Berücksichtigung der bestehenden Baustruktur von innen heraus neu entwickelt. Neben den vielen Adaptionen stellt dabei der „Solitär“ eine echte Neuschöpfung dar. Seine vier Seiten definieren städtebaulich vier unterschiedliche Räume: einen Platz, eine Gasse, ein Belvedere und eine der ehemaligen Vorstadt vorgelagerte Freifläche.
Zur Geschichte des Hauses gehört, dass der Name „Solitär“ aus der Terminologie der architektonischen Formenlehre stammt. Dort steht der Begriff für einen Bautypus, der städtebaulich frei steht. Da der „Solitär“ im ursprünglichen Gebäudekomplex weder vorhanden, noch ein Programmpunkt der Aufgabe, sondern ein Ergebnis des Wettbewerbs war, wurde er einfach nach dieser architektonischen Charakteristik benannt. Die Bezeichnung ist ihm als Name bis heute geblieben. Sie weist darauf hin, dass dem nicht immer so war. Tatsächlich wurde der „Solitär“ aus dem einst dichten Gefüge des Vorgängerbaus von 1978 herausgelöst. Der Baukörper ersetzt einen Institutsbau, der vormals das gesamte Baufeld zwischen Mirabellgarten und Primogeniturpalast besetzte. Er wurde abgetragen und durch jenen „Solitär“ ersetzt, der seitdem städtebaulich zwischen Mirabellplatz und Mirabellgarten vermittelt.
An jenem trapezförmigen Vorplatz, der mit der Freistellung des ehemaligen Primogeniturpalastes vor dem Solitär entstanden ist, kommen die städtebaulichen Energien des weitläufigen Mirabellplatzes zur Ruhe; der Ankommende wird dort in der Welt des Mozarteums empfangen. Den Zwischenraum definiert auf der einen Seite die geputzte Lochfassade des sanierten „Palastes“, auf der anderen Seite die geschlossenen Steinflächen des Solitärs. Die gedeckte Farbigkeit des „Dorato“, einem Gneis aus dem Valmalenco, setzt sich gegen die hellen Putzflächen der Nachbarbauten ab und betont so die Eigenständigkeit des neuen Baukörpers.
Der Solitär steht im bewussten Kontrapost zur langgezogenen Anlage des ehemaligen Palastgebäudes und den Institutstrakten des Mozarteums, die seit dem Umbau von 1978 eine untrennbare Einheit bilden. Im Nebeneinander von Stand- und Spielbein kommt dabei den zusammenhängenden, geputzten Gebäudeteilen des adaptierten Mozarteums die Rolle des Standbeins, dem frei stehenden Solitär hingegen die Rolle des Spielbeines zu. Auch wenn der Baukörper keine Pirouette dreht, sondern, wie jede gebaute Architektur, fest mit seinem Grund verankert ist, so funktioniert er - im städtebaulichen Sinn - doch als frei bewegliches Scharnier. Der Solitär bewegt sich gleichsam um die eigene Achse und bespielt so die vier angrenzenden Räume und ihre Übergänge. Man erlebt dies in erster Linie im Umschreiten, doch auch vom festen Stand wirkt die Geste nach allen Seiten: zum freie Feld, zum Platz, zur Gasse, zum Belvedere. An der großen Fontäne führen einem im Mirabellgarten die mythischen Skulpturen des Ottavio Mosto den Gedanken des Umkreisens und Drehens geradezu vor.
Die innere Struktur des Hauses entwickelt sich über vier Geschosse: Einem Untergeschoss, das sich konstruktiv aus dem Vorgängerbau ableitet. Einem Gartengeschoss, das den Geländesprung zwischen Mirabellplatz und Garten kompensiert. Dem Erdgeschoss, das den Bau barrierefrei an das Stadtniveau anbindet. Un der über allem sich erhebenden und gänzlich sich freispielenden Beletage, die sich mit einer großzügig gestalteten Loggia zum Mirabellgarten hin öffnet.
5 ⁄ 2014
Robert Rechenauer
Bildnachweis
Andrew Phelps
Robert Rechenauer