Wie das Alte im Neuen weiter lebt
Architekten des Mozarteum
In der beinahe 400 Jahre alten Chronologie der Architekten, die für das Grundstück am Mirabellplatz geplant hatten, war Eugen Wörle der vorläufig vorletzte.
Eugen Wörle (1909-1996) war ein namhafter Architekt aus Wien. Gemeinsam mit seinem Partner Max Fellerer führte er nach dem Krieg eines der meistbeschäftigsten Architekturbüros in Österreich. Viele Preise zeichnen ihn als einen der Protagonisten der damaligen Architekturszene aus. Er war Professor, Träger des Architekturpreises der Stadt Wien, Träger des Österreichischen Staatspreises für Architektur und Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst. Der Zentralvereinigung und Ingenieurkammer stand er als Präsident sogar dem gesamten Berufsstand vor.
Wörle verfasste mit seinem Team den Entwurf für den Umbau des „Alten Borromäums" zur „Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mozarteum". Der komplexe Bau wurde nach fast zwanzig Jahren Planungszeit 1978 fertig gestellt. Die Räumung des Hauses im Jahre 1998 erlebte er nicht mehr. Was war schief gelaufen?
Das anspruchsvolle Programm war viel zu dicht auf allzu wenig Raum untergebracht. Die Fassaden waren verschlossen und die Eingangssituation in der Aicherpassage nicht länger tragbar. Der Unmut, der sich über die Jahre bei den Nutzern aufgestaut hatte, war am Ende so groß, dass er sich in einem Giftskandal, der schließlich zur behördlich angeordneten Räumung des Gebäudes führte, europaweit Gehör verschaffte. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum beim Wettbewerb zur Generalsanierung 2002 nur eine ganzheitliche Lösung weiterkommen konnte. Es musste die Grundlage für einen echten Neubeginn geschaffen werden. Der städtebauliche Ansatz mit dem kompletten Rück- und Neubau von ganzen Gebäudeteilen hat 2006 der Universität Mozarteum schließlich den ersehnten architektonischen Auftritt gebracht.
Spätestens an dieser Stelle muss man jedoch festhalten, dass das Mozarteum von 2006 ohne das Mozarteum von 1978 nicht möglich gewesen wäre. Dies wird an den konstruktiven Spuren des Vorgängerbaus ersichtlich, die dem Neubau fest und nahezu unwiderruflich eingeschrieben sind. Der Altbau bildete das strukturelle Gerüst für das Neue.
Am deutlichsten wird dies in der Halle, die als Foyer der neuen Universität dient. Der Raum war zuvor ein geschlossener Innenhof, dessen Boden mit eineinhalb Geschossen unter dem Niveau des Mirabellplatzes lag. Die Halle war nicht Bestandteil des Raumprogramms, sondern wurde erst beim Wettbewerb zu einem baulichen Schlüsselelement, das das städtebauliche Konzept bedingte. Die räumliche Großzügigkeit, die heute das vertraute Bild bestimmt, wäre ohne die Bedingungen, die der Bestand vorgab, niemals möglich gewesen. Niemand hätte ohne Grund diese Ausgelassenheit verantwortet. Doch hier gab die unverrückbare Konstruktion des Bestandes die Proportionen für die Halle vor. Der Boden des ehemaligen Innenhofes wurde gedeckelt und mit der Halle auf das Niveau des Mirabellplatzes gebracht.
Neues wird dort begrüßt, wo es das Alte verbessert. Das Einlassen auf den städtebaulichen Kontext drückt die Hochachtung des Entwurfs vor der Stadt Salzburg aus. Bestehende Kubaturen wie der ehemalige Primogeniturpalast oder der Studiotrakt waren in der Altstadt eingeführt und etabliert. Die bleibende Erinnerung an die barocke Grundstruktur und die eingeführten Baulinien am Mirabellgarten sicherten die Akzeptanz und den notwendigen Vertrauensvorschuss für das Neue.
Doch es ist nicht nur das Konzept von Eugen Wörle, das im Hause weiter lebt, sondern auch der Entwurf des Dombaumeisters Santino Solari, der ab 1631 mit seinen Planungen für die Lodronstadt den städtebaulichen Nucleus für die gesamte Entwicklung legte. Er prägte mit dem Primogeniturpalast den Stadtraum zur Dreifaltigkeitsgasse und schuf so den Grundstein für das Ensemble. Nicht mehr erlebbar sind allerdings die Planungen der Architekten, die nach Solari das Gebäude im Lauf von 300 Jahren immer wieder neu adaptiert hatten. Sie sind weitestgehend unbekannt und ihre Gestaltungen mit der Neustrukturierung von 1978 verschwunden. Es ist davon auszugehen, dass sie auf das Entwurf von Wörle keinen Einfuss hatten und überplant wurden.
Ihren Niederschlag im Entwurf von heute behielten hingegen die nahezu vergessenen Auseinandersetzungen mit dem Denkmalschutz und die Bürgerprosteste der 1970er Jahre. Sie beeinflussten den Entwurf von Wörle maßgeblich und waren so im Bestand nachhaltig verankert. Ohne die Kompromisse von damals, wie die Rekonstruktion der Fassade des ehemaligen Primogeniturpalastes oder die Streichung eines ganzen Geschosses am Mirabellgarten, wäre die Ausgangslage für den Wettbewerb eine andere gewesen, die zu anderen Lösungen geführt hätte.
In der Auseinandersetzung mit dem Bestand und dem Herausarbeiten der Potentiale, die im Vorgängerbau trotz aller Problematiken schlummerten, liegt das eigentlich Besondere, das den Entwurf von 2002 auszeichnet. Die im Konzept von 1978 gegebene Enge und Abgeschlossenheit setzten für die neue Planung einen Impuls des Aufbruchs und der Öffnung frei, die ohne diese Problematik nicht denkbar gewesen wäre. Die notgedrungene Reibung mit dem Vorhandenen führte im Räumlichen und Funktionellen zu einer gestalterischen Eigenständigkeit, die mit einem reinen Neubau nicht möglich gewesen wäre.
2 ⁄ 2014
Robert Rechenauer
Bildmaterial
Andrew Phelps
Robert Rechenauer