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Robert Rechenauer Architekten

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Lodronscher Primogeniturpalast, Collegium Borromaeum, Altes Borromäum
Die Vor­ge­schichte zum Mozar­teum

Ehemaliger Lodronscher Primogeniturpalast<br />
heute Teil der Universität Mozarteum
Ehemaliger Lodronscher Primogeniturpalast
heute Teil der Universität Mozarteum

Stattlich präsentierte sich einst der Lodronsche Primogeniturpalast in der barocken Neustadt von Salzburg. Weit­hin sicht­bar über­rag­te die geschlossene Kubatur die niedrige Nach­bar­be­bau­ung. Heute ist das Ge­bäu­de nur mehr Teil einer städtebaulichen Gesamtstruktur. Längst hat die umliegende Bebauung das Baufeld und die Trauf­linie des ehemaligen Palastes aufgegriffen und sich selbst daran ausgerichtet. Das gleiche Recht für alle hat den Stä­dte­bau geglättet. Vom Mönchs­berg erahnt man heute noch die ur­sprüng­li­che Größe und Bedeutung.

Der Merianplan von 1649 macht deutlich, welche Transformationen das Gebäude seit seiner Er­rich­tung im Jahre 1631 durchgemacht hat. Der Stich zeigt den Palast inmitten der Bastionen der zeitgleich errichteten Lodronstadt. Seine Lage erschließt sich nicht auf den ersten Blick, da die Bollwerke im Vordergrund längst verschwunden sind. Doch ihre städtebauliche Struktur ist im Grundriss der ersten Stadterweiterung er­hal­ten geblieben.

Ausschnitt Sattlerpanorama 1825<br />
Salzburg Museum
Ausschnitt Sattlerpanorama 1825
Salzburg Museum

Auf dem berühmten Panorama von Johann Michael Satt­ler, das uns Salz­burg im Jahre 1825 von der ge­gen­über­lie­gen­den Sei­te, von der Festung aus vorführt, ist der Palast ebenso nicht so­fort zu erkennen. Die Brü­cke über die Sal­zach, das Schloss Mira­bell mit dem vor­ge­la­ger­ten Gar­ten, die Orangerie und die in un­mit­tel­ba­rer Nähe ge­le­ge­ne Drei­fal­tig­keits­kir­che lassen zwar auch hier eine schnel­le Ver­or­tung zu, doch die Ku­ba­tur ent­spricht nicht dem vermeintlich his­to­ri­schen Bild, das wir von dem Gebäude haben. An den vielen Ge­bäu­de­ver­sprün­gen und An­­bau­­ten erahnt man, dass sich das Er­schei­nungs­bild des Palastes immer wieder massiv ver­ändert hat.

Ursprünglich ließ Erz­bischof Paris Lod­ron mit­ten im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg den Bau für seine Familie als Pri­mo­ge­ni­tur­pal­ast nach den Plänen von Dombaumeister Santino Solari (1576-1646) errichten. Das „Pal­la­di­um Lo­dro­ni­cum“ bildete damals den Hauptbau der neu­en „Lo­dron­stadt“. Span­nend und reizvoll, doch un­mög­lich ist es, sich anhand der heutigen Räume eine Vor­stel­lung von der Ge­stal­tung und dem Le­ben zu machen, das einst die Säle erfüllte. Die In­nen­aus­stat­tung und Hofhaltung stand sicherlich in nichts den Palästen der Barberini in Rom oder der Bourbonen in Paris nach.

Kein historisches Gebäude in Salz­burg ist ohne Be­zie­hung zu Wolf­gang Ama­de­us Mozart (1756-1791). Schon gleich gar nicht, wenn da­hin­ter der spä­te­re Na­mens­ge­ber des Mo­zar­te­ums steht. Ver­bürgt ist je­den­falls, dass Mozart die Gräfin Maria Antonia Lodron und ihre Töchter im Haus un­ter­ri­ch­te­te und für diese auch ei­ni­ge Werke kom­po­nier­te. Das „Lod­ron­kon­zert“ (KV 242),  ein Di­ver­ti­men­to (KV 247) und die „Zwe­ite Lo­dron­sche Nacht­musik“ (KV 289) wur­den 1776 und 1777 hier ur­auf­g­eführt. Nach fast ein­ein­halb Jahr­hun­der­ten war der Palast fest im Stadt­bild etabliert.

Eine Generation später plünderte und brandschatzte die fran­­si­sche Armee am 15.12.1800 Salz­­burg. Die Be­sat­zer schaff­ten wert­vol­le Schriften, Bücher und Gemälde nach Paris. Auf Be­trei­ben Napoleons setzten sie 1803 zu­dem der staatlichen Selbst­stän­dig­keit des Für­sten­tums das Ende. Alles höfische Leben im einst prunk­vol­len Pal­ast war damit endgültig vorbei. Der große Stadtbrand von 1818 zerstörte schließlich das bau­li­che Erbe. Der ver­blie­be­ne Rest des wurde notdürftig Instand gesetzt. Auf die Wiedererrichtung des zerstörten Dachgeschosses ver­­zi­chtete man sogar komp­lett. 1825 wurde das ehemalige Palastgebäude versteigert.

Ehemaliger Palast ohne Attikageschoss<br />
Altes Borromäum vor 1972
Ehemaliger Palast ohne Attikageschoss
Altes Borromäum vor 1972

Einen neuen Aufschwung er­leb­te das Ge­bäu­de als man 1848 am Mira­bell­platz die Bor­ro­­ums­kir­che an­bau­te. Ein Jahr spä­ter zog dann das „Col­leg­ium Bor­ro­mae­um“ in den ehe­ma­li­gen Pa­last. Als das Gym­nas­ium das Haus 1912 wie­der ver­ließ, dien­te das Ge­bäu­de dem Woh­nen und trug nun­mehr den Na­men „Al­tes Bor­ro­­um“. Im Turn­­saal grün­de­te An­ton Ai­cher sein Ma­ri­onet­ten­thea­ter, ins Erd­ge­schoß zo­gen Lä­den. Das Ge­bäu­de kam schließ­­lich in die Jahre und galt zu­letzt als „Schand­fleck“, der be­seitigt wer­den muss­te. Da­zu kam es 1972.

Unter dem großem Pro­test der Be­völke­rung und der in­ter­na­tiona­len Pres­se trug man nach einer zwöl­fjäh­ri­gen Pla­nungs­zeit die le­tz­ten Re­ste des ehe­ma­li­gen Lo­dron­schen Pri­mo­ge­ni­tur­pa­las­tes und die längst im Quar­tier eta­­­­blier­te Bor­ro­­ums­kirche ab. Das „A­lte Bor­ro­­um“ wur­de komp­lett ent­kernt und durch einen Stahl­be­ton­ske­lett­bau er­setzt. Ste­hen blieb eine aus­ge­höhl­te Fas­sa­de an der Drei­fal­tig­keits­gas­se und das in Tei­len jetzt noch er­hal­te­ne Stie­gen­haus am Haupt­po­rtal. Die Fas­sade und so­ge­nann­te „Mo­zart­stie­ge“ wur­den nach den Plä­nen des Archi­tek­ten Eu­gen Wörle (1909-1993) in die Ra­ster­struk­tur einer kom­pak­ten neu­­en Bau­masse, die sich von der Drei­fal­tig­keits­gasse bis zum Mira­bell­gar­ten er­stre­cken soll­te, integriert.

Institutsbau 1979
Institutsbau 1979

Nach weiteren Bürgerprotesten, Baustops und Um­pla­nun­gen wurde 1979 das neue Haus für die „Hoch­­schu­le für Mu­sik und darstellende Kunst Mozarteum“ er­öff­net. Doch nach nicht einmal zwanzig Jahren muss­te 1998 das Haus wegen eines „Gift­skan­dals“ über Nacht ab­rupt ge­schlos­­sen werden. Das Haus wur­de ge­räumt und die Hoch­­schu­le auf ver­schie­de­ne Er­satz­quar­tie­re in der gan­zen Stadt ver­teilt. An­lass wa­ren „my­ste­­ri­öse To­des­fäl­le“ aufgrund von Leu­­mie­er­kran­kun­gen, de­ren Ur­sache man in schad­stoff­­hal­­ti­­gen Bau­stof­fen ver­mu­te­te, de­ren tod­brin­gen­de Wir­kung an­ge­blich über die Lüf­tungs­an­la­ge ver­teilt wurde.

Lange wusste man nicht, wie man mit dem un­lieb­sa­men Haus ver­fah­ren soll­te. Soll­te man das gan­ze Ge­bäu­­de ab­rei­ßen und den at­trak­ti­ven Stand­ort am Mira­bell­platz und Mira­bell­gar­ten mit einer at­trak­ti­ven, Ren­di­te-brin­gen­den Nut­zung neu er­rich­ten? Wür­de ein Kauf­haus dem Ort nicht bes­ser an­ste­hen als eine seit der Räu­mung un­ter dem Na­men „Uni­ver­si­tät Mo­zar­te­um Salz­burg“ fir­mie­ren­de Mu­sik-, Kunst- und Thea­ter­hoch­schule?

Für das Mo­zar­te­um stell­te sich er­neut die Stand­ort­fra­ge. Vier Jahre soll­ten ver­ge­hen, bis der Ei­gen­­mer – die kurz zuvor ge­grün­de­te Bun­des­im­mo­bi­lien­ge­sell­schaft BIG – einen in­ter­na­tiona­len, eu­ro­pa­weit of­fe­nen Archi­tek­ten­wett­be­werb aus­lob­te, um den Stand­ort Mo­zar­te­um am Mi­ra­bell­platz zu si­chern. Vier wei­te­re Jahre sollte es dann noch dau­ern, bis die re­nom­mier­te Mu­sik­schule von den be­zo­ge­nen Er­satz­quar­tie­ren an sei­nen an­ge­stamm­ten Ort zu­rück­keh­ren konnte.

Wettbewerb 2002
Wettbewerb 2002

Unser städtebauliches und archi­te­kto­ni­sches Kon­zept, das als 1.Preis aus dem Wett­be­werb her­vor­ging, soll­­­te den al­ten Lo­dron­schen Pa­last wie­der zu neu­em Le­ben er­we­cken. Von 2004 bis 2006 fand die um­fang­­rei­che Ge­ne­ral­sa­nie­rung statt. Ganze Ge­bäu­de­tra­kte wur­­den da­bei zu­rück ge­baut, das Haus komplett ent­kernt. Gift­stof­fe wur­den kei­ne ge­fun­den. Die Grün­de für die Schlie­ßung müs­sen al­so an­de­re gewesen sein.

11 ⁄ 2011
Robert Rechenauer


Bildmaterial
Andrew Phelps
Bundesimmobiliengesellschaft BIG
Salzburg Museum
Robert Rechenauer Architekten

Literaturhinweise
Amt der Salzburger Landesregierung, Neubau der Hochschule Mozarteum „Altes Bor­ro­­um“, Salz­burg 1979
Baur Eva Gesine, Mozarts Salzburg – Auf den Spuren des Genies, C. H. Beck Verlag München 2005
Dopsch Heinz ∕ Hoffmann Robert, Salzburg – Die ganze Geschichte der Stadt, Verlag Anton Pustet Salzburg 2008
Euler Bernd ∕ Gobiet Ronald / Huber Horst R. ∕ Juffinger Roswitha, Salzburg – Stadt und Land, Verlag Anton Schroll Wien 1986
Kapfinger Otto ∕ Höllbacher Roman ∕ Mayr Norbert, Baukunst in Salzburg seit 1980, Müry Salz­mann Verlag Salzburg 2010
Knorr-Anders Esther, Salzburg – Ein Reisebegleiter, Prestel-Verlag München 1991
Paul Jochen in: Baumeister Nicolette (Hg.), Universität Mozarteum, Büro Wilhelm Verlag Amberg 2008
Rainer Werner ∕ Walterskirchen Gerhard, Historisches Salzburg – Stadt der Musik, Stadt des Theaters, Zaltbommel 1999